Zwischen Wissenschaft und Politik gibt es gravierende Unterschiede bei der Beurteilung der Klimarisiken, die mit der Energiegewinnung aus Holz verbunden sind. 15 renommierte Umweltwissenschaftler aus dem Zusammenschluss der Nationalen Akademien der Wissenschaften (EASAC) finden in einem Fachartikel erstaunlich klare Worte.
Bioenergie aus Waldbiomasse – gut oder schlecht für das Klima?
In der 2009 verabschiedeten EU-Richtlinie für
erneuerbare Energien (RED) wurde Biomasse aus Wäldern (sprich: Holz) ohne
Einschränkung als „erneuerbare Energie“ eingestuft. Seitdem wird es in vielen
Mitgliedstaaten verwendet, um den Anteil ihrer Energie aus „erneuerbaren“
Quellen zu erhöhen.
Für viele scheint es selbstverständlich, dass die Nutzung von Holz von Natur aus gut für das Klima ist, da der Kohlenstoff in der Biomasse aus der Atmosphäre stammt und beim Wachstum der Wälder wieder absorbiert werden kann – Biomasse also als „klimaneutral“ eingestuft werden kann. Das mag seine Berechtigung haben, solange in erster Linie Waldrestholz und Abfälle aus der Holzwirtschaft als Brennstoff benutzt werden. Seit in einigen EU-Mitgliedstaaten aber großzügige Subventionen für das Verbrennen von Holz in Großkraftwerken zur Verfügung stehen, ist die Nachfrage deutlich gestiegen. Mittlerweile werden Holzpellets in Industrieanlagen mit einer Jahresproduktion von über 500.000 t produziert und über Tausende von Kilometern transportiert.
Trotz zahlreicher wissenschaftlicher Warnungen, dass
dies sowohl für das Klima als auch für die globalen Wälder schädlich sein
könnten, wird Biomasse im Rahmen der 2018 überarbeiteten Richtlinie für
erneuerbare Energien (RED II) weiterhin als erneuerbar eingestuft. Darüber hinaus werden Emissionen aus der Verbrennung von Biomasse im
EU-Emissionshandelssystem mit Null bewertet.
Die EASAC hat wiederholt
darauf hingewiesen, dass der derzeit zu beobachtende Ersatz von Kohle durch Holz
das Risiko einer Überschreitung der Zielvorgaben des Pariser Klimaabkommens
erhöhen könnten. Der Grund ist einfach: Wenn Holz geerntet und zur Erzeugung
von Energie verbrannt wird, gelangt der gesamte Kohlenstoff der Biomasse mit
einem Schlag in die Atmosphäre. Da zudem die CO2-Emissionen pro erzeugter Stromeinheit
höher sind als bei der Verbrennung von Kohle (die Gründe werden in der Veröffentlichung
aufgeführt), kommt es zumindest unmittelbar zu einer Steigerung der Emissionen.
Dieses zusätzliche CO2 wird nur dann wieder
absorbiert, wenn die Wälder nachwachsen. So entsteht eine zeitliche Lücke zwischen
der Freisetzung von Kohlenstoff und seiner späteren Aufnahme aus der Atmosphäre
– die so genannte carbon payback period. Wissenschaftliche Studien
zeigen, dass dieser Zeitraum stark von der Art der Biomasse abhängt. Sie kann
kurz sein, wenn es sich um ungenutztes Restholz aus nachhaltig bewirtschafteten
Wäldern handelt. Sobald jedoch zusätzliche Bäume gefällt werden, um etwa als Rohstoff
für Pelletmühlen zu dienen, verlängert sich die Amortisationszeit erheblich,
von Fall zu Fall auf Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte. Diese Unterschiede werden
in den EU-Richtlinien jedoch ignoriert: Holz wird grundsätzlich als
„klimaneutral“ behandelt und der CO2-Ausstoß bei der Verbrennung wird als Null gewertet.
Dieser grundlegende Fehler ermöglicht es, die
nationalen Emissionen auf dem Papier zu reduzieren, da durch den einfachen
Wechsel von Kohle (wo Emissionen gemeldet werden müssen) zu Biomasse (keine
Meldung) die Emissionen sofort reduziert werden können. Aus Sicht des Klimas sieht es jedoch anders aus:
Der Anstieg der Emissionen hält an, bis die Amortisationszeit abgelaufen ist.
Da nach dem Pariser Klimaabkommen aber dringend Maßnahmen ergriffen werden
müssen, um die Erwärmung auf 1,5 ° C zu begrenzen, sind Amortisationszeiten von
mehr als einem Jahrzehnt mit den Zielen des Klimaschutzes nicht vereinbar.
Die EASAC plädiert deshalb dafür, die Produktion
von Pellets oder Holzhackschnitzeln, ihren Transport und ihre Verwendung in
Kraftwerken nur dann als erneuerbare Energie anzusehen, wenn sie kurze Amortisationszeiten
aufweisen. Denn nur dann können sie einen Beitrag dazu leisten, die Ziele des
Pariser Klimaabkommens in dem uns verbleibenden Zeitfenster zu erreichen. Professor
Michael Norton (Direktor des Umweltprogramms der EASAC) weist darauf hin, dass
die großen Subventionen, die für eine Umstellung von Kohle auf Holz
erforderlich sind, das Gegenteil von echten erneuerbaren Energien bewirken, die
den CO2-Ausstoß kurzfristig verringern. Das ist schlecht für das Klima und schlecht für die öffentlichen
Finanzen.
Der Artikel in GCB Bioenergy
erklärt und belegt, warum die derzeitige großtechnische Substitution von Kohle
durch importierte Holzpellets nicht die Kriterien erfüllt, die an echte erneuerbare
Energien gestellt werden. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen Subventionen für
Bioenergie auf Biomasse mit kurzen Amortisationszeiten beschränkt werden
(Beispiele hierfür sind land- und forstwirtschaftliche Reststoffe,
Kurzumtriebsplantagen oder schnell wachsende Gräser).
Gleichzeitig sollten die UNFCCC-Leitlinien für die Berichterstattung dringend überarbeitet werden. Dabei sollten bestehende Schlupflöcher gestopft werden, wie etwa die Möglichkeit, die Emissionen aus importierter Biomasse mit Null zu bewerten.
Comments 2
Ausgezeichneter Inhalt! Ich habe es wirklich genossen! Danke, dass du es mitgeteilt hast!
Sehr schöne Nachricht, das ist mir persönlich auch ebenfalls sehr wichtig. Endlich wird das Thema ernst genommen. Macht weiter so, LG